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CMS vs. DXP – Verstehe den Unterschied

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Wenn du über die Frage „CMS oder DXP“ reflektierst, ist es verlockend, sie als „besser vs schlechter“ zu verstehen. Aber das wird der Komplexität der Realität nicht gerecht. Vielmehr ist „DXP“ eine evolutionäre Erweiterung von „CMS“, begleitet von philosophischen Fragen über Struktur, Modularität, Integration und Erlebnis. In diesem Text gehe ich Schritt für Schritt vor: erst eine konzeptionelle Verortung, dann anatomische Unterschiede, schließlich eine Vergleichstabelle und greifbare Beispiele.

Definition: Wofür stehen die Begriffe „CMS“ und „DXP“?

Bevor wir ins Detail gehen, lohnt es sich, die Begriffe in ihren Kontexten zu verorten — insbesondere historisch und konzeptionell.

Definition: CMS (Content Management System)
Ein CMS ist eine Software oder Plattform, die es ermöglicht, Inhalte zu erstellen, zu organisieren, zu bearbeiten, zu publizieren und zu verwalten, ohne dass technische Nutzer direkt in Code eingreifen müssen. Typische Funktionen: WYSIWYG-Editoren, Workflow, Versionierung, Templates, Benutzerverwaltung, Medienbibliothek.

Ein CMS war (und ist) primär auf die Verwaltung von Inhalten ausgelegt, insbesondere Webseiteninhalte — also Texte, Bilder, Dokumente, manchmal strukturierte Daten. In der klassischen Form koppelt ein CMS Backend (Redaktion, Speicherung) und Frontend (Darstellung) relativ eng.

Mit der Zeit entstanden Varianten: Headless-CMS (Backend ohne vordefiniertes Frontend), decoupled / hybrid CMS (Backend und Frontend sind getrennt, aber oft mit einem Präsentationslayer) etc.

Definition: DXP (Digital Experience Platform)
Eine DXP tritt als übergeordnete Plattform auf, die nicht nur Inhalte verwaltet, sondern eine nahtlose, kanalübergreifende „Experience“ ermöglicht — idealerweise personalisiert, integriert mit anderen Systemen und datengetrieben. Ein DXP kombiniert Content Management, Personalisierung, Analyse, Marketing-Automation, Omnichannel-Delivery (Webseiten, Mobile, IoT, Voice etc.) und oft auch Commerce- oder Service-Komponenten.

Ein DXP möchte nicht nur Inhalte liefern, sondern Erlebnisse orchestrieren — entlang der Customer Journey, mit Kontext, mit dynamischem Verhalten. In vielen Fällen ist ein modernes DXP modular oder „composable“, also aus Bausteinen zusammengesetzt.

Man kann sich das so vorstellen: Wenn ein CMS dein Publikationswerkzeug ist, ist eine DXP dein Erlebnis-Studio + Kontrollzentrum.

Ein guter Artikel, der diese Entwicklung beleuchtet: DXP vs. CMS: Choosing the right platform for your digital strategy von Contentful

Und auch: CMS vs. DXP: Key Differences Explained bei dotCMS

Anatomie der Unterschiede: Detail für Detail

Ich unterteile die Unterschiede in mehrere Dimensionen. In jedem Teil zeige ich, worin sich CMS und DXP unterscheiden, was ihre jeweiligen Stärken und Schwächen sind, und gebe konkrete Aspekte zum Nachdenken.

1. Ziel und Fokus

  • CMS fokussiert auf Inhalte und Content-Flows: Autoren schreiben, editieren, prüfen, veröffentlichen.
  • DXP fokussiert auf Nutzer­erlebnisse: personalisierte Inhalte, Kanalintegration, Nutzeraktivitäten entlang einer Reise („Journey“) steuern.

Wenn du in einem Projekt nur Webseiten, Blogbeiträge, Dokumentationen verwalten willst, reicht oft ein gutes CMS. Wenn du jedoch Nutzer je nach Verhalten, Kanal, Personalisierung steuern willst — z. B. ein Nutzer sieht am Handy Werbung, klickt, landet in der App — dann brauchst du DXP-Fähigkeiten.

2. Architektur und Modularität

  • CMS (klassisch, monolithisch): Backend + Frontend eng verbunden, eigene Templates, alles in derselben Codebasis. Erweiterungen via Plugins/Add-ons.
  • CMS (modern / headless / decoupled): Entkoppelung von Inhalt und Darstellung, APIs (REST, GraphQL).
  • DXP (modular / composable / MACH-Prinzipien): Bausteine, die über APIs kommunizieren. Der DXP ist eher eine Orchestrierungsschicht über voneinander austauschbare Services (Content, Personalization, Analytics, Commerce etc.).

Ein DXP ist eher ein Ökosystem als ein einzelnes Paket. Ein DXP will Integrationen erleichtern, Daten aus verschiedenen Quellen zusammenführen und in Echtzeit reagieren.

3. Integration mit anderen Systemen und Datenflüssen

  • CMS: Integration meist über Plugins, Extensions oder Integrationsschnittstellen. Schlüssel sind Themen wie Single sign-on, externe Datenquellen, APIs.
  • DXP: Von Haus aus so gedacht, dass sie viele Systeme vereint — CRM, ERP, Marketing Automation, Analytics, E-Commerce, Search, Social, IoT etc. Der DXP fungiert als zentrales Nervensystem.

Wenn du z. B. Nutzerverhalten, Kundenprofile, Segmentierung, A/B-Tests usw. integrieren willst, ist ein DXP deutlich im Vorteil.

4. Personalisierung und Kontextualisierung

  • CMS: In der klassischen Form kaum Personalisierung. Bei moderneren CMS kann man gewisse Regeln oder Module einsetzen, aber das bleibt häufig begrenzt.
  • DXP: Personalisierung ist Teil des Kernversprechens. Inhalte basierend auf Nutzerprofil, Verhalten, Kanal, Kontext, Zeit etc. werden dynamisch gerendert. Manche DXP nutzen KI/ML-Modelle zu Empfehlungssystemen.

Eine DXP erlaubt, dass derselbe Inhalt für verschiedene Nutzer unterschiedlich ausgeliefert wird — z. B. Einsteiger vs Power-User, Geo-Targeting etc.

5. Kanalvielfalt (Omnichannel / Multichannel)

  • CMS: Meist auf Web/Website fokussiert, evtl. mit Erweiterungen für mobile oder API-Ausspielung.
  • DXP: Unterstützt viele Kanäle: Web, Mobile, Apps, IoT-Devices, Sprachassistenten, In-Store Displays, etc. Ziel: konsistentes Erlebnis über alle Touchpoints hinweg.

Wenn dein Projekt nicht bei der Website endet, sondern über App, Kiosk, Smartspeaker etc., dann brauchst du DXP-Fähigkeiten.

6. Analyse, Insights, Optimierung

  • CMS: Grundlegende Analytics (z. B. Seitenaufrufe, Traffic), gelegentlich Plugins für mehr.
  • DXP: Analytics ist integraler Bestandteil. Echtzeit-Daten, Funnel-Analyse, Segment-Analysen, Interaktionsverhalten, Conversion-Trace, Feedback-Loops. Auch A/B-Tests eingebaut.

DXPs helfen dabei, Inhalte zu messen, Verhalten zu analysieren und darauf zu reagieren.

7. Workflow, Governance, Benutzerrollen

  • CMS: Guter Workflow (Draft, Review, Veröffentlichung), Rechteverwaltung, Versionierung.
  • DXP: Alles, was ein CMS kann, plus ausgefeiltere Governance über mehrere Kanäle, oft mit rollenübergreifender Steuerung, Übersetzungsmanagement, Content-Workflows über Kanäle hinweg, Veröffentlichungssynchronisation, etc.

Ein Nutzer könnte z. B. in der DXP sehen, wie Inhalte in verschiedenen Kanälen synchronisiert werden.

8. Komplexität, Kosten und Aufwand

  • CMS: In der Regel günstiger in Anschaffung, Betrieb und Einarbeitung. Für kleinere bis mittlere Projekte oft ausreichend.
  • DXP: Höherer Aufwand — Architektur, Integration, Wartung — und oft höhere Kosten (lizenzkosten, Integrationskosten, personeller Aufwand).
  • Risiko & Skalierung: Wenn du zu früh zu komplex wirst, kann der Overhead kostenintensiv sein. Wenn du zu spät umsteigst, entstehen Migrationskosten.

9. Evolutionspfad und Kombinationen

Viele Anbieter kombinieren heute CMS-Funktionen mit DXP-Anforderungen, z. B. hybrides System. Manche beginnen als CMS und werden mit Zeit zur DXP ausgebaut (Evolution statt Revolution). Oder man nutzt ein CMS in kleinen Projekten, und bei Wachstum portiert man Teile in die DXP-Schicht.

Pimcore spricht davon, dass CMS-Funktionen häufig Kernbestandteile eines DXP sind, aber der DXP darüber hinaus die gesamte Datenarchitektur integriert.

Vergleichstabelle: CMS vs DXP — mit praxisnahen Beispielen

AspektCMS (klassisch/modern)DXP
ZielInhalte verwalten, veröffentlichenErlebnisse orchestrieren, personalisieren
ArchitekturMonolithisch oder entkoppelt, aber fokussiertModular, API-first, interoperabel
IntegrationPlugins / Extensions / APIsNahtlose Verbindungen zu CRM, Marketing, Commerce
PersonalisierungMinimal bis regelbasiertContextual, adaptiv, KI-gestützt
KanalvielfaltFokus Website, evtl. API-AusspielungOmnichannel: Web, App, IoT, Voice etc.
Analyse & OptimierungBasis-Stats, oft über DrittanbieterEchtzeit, Funnel, Segmentanalyse, Feedback-Schleifen
Workflow & GovernanceStandard-Workflows, Rechte, VersionenKanalübergreifende Workflows, Synchronisation, Übersetzung etc.
Aufwand & KostenGeringer bis moderatHoch, besonders bei Integration & Betrieb
Migrations- / EvolutionspfadEinstiegslösung, skalierbar begrenztrichtet sich an Wachstum, langfristige Plattform
Typische EinsatzfälleBlogs, Microsites, Firmenwebseiten, Kleines E-CommerceGroßunternehmen mit Omnichannel, komplexem Nutzertracking, Marketing-intensiv
BeispielplattformenWordPress, Drupal, Joomla, Craft CMS, Contentful (als headless CMS)Adobe Experience Manager (AEM), Sitecore, Optimizely, Contentstack, Jahia, Magnolia

Ein paar konkrete Beispiele aus der Praxis:

  • WordPress: Klassisches CMS, stark im Blogging, mit Plugins erweiterbar (z. B. WooCommerce).
  • Drupal: Flexibleres CMS, modulare Struktur, oft in größeren Projekten eingesetzt.
  • Contentful: Als Headless-CMS oft Teil einer DXP-Architektur.
  • Sitecore: Vollwertiger DXP mit Personalisierung, Marketing, Commerce-Integration etc.
  • Adobe Experience Manager (AEM): Stark im Enterprise-Bereich mit Marketing-Tools, Personalisierung, Digital Asset Management etc.
  • Jahia: Ein hybrider DXP-Ansatz, kombiniert Content Management mit CDP-Modulen etc.
  • Magnolia: Ursprünglich ein CMS, das sich zur DXP-Plattform mit Personalisierung etc. weiterentwickelt hat
  • Ibexa DXP: Ein moderner DXP, der ursprünglich aus CMS-Traditionen kommt.

Narrative Verflochtenheit: Ein fiktives Beispiel

Damit das Ganze „lebt“, hier ein erzählerisches Beispiel, wie der Unterschied sichtbar wird:

Stell dir eine Firma “GreenTech GmbH” vor. Anfangs haben sie lediglich eine Website, Blog und Produktbeschreibungen. Sie starten mit WordPress als CMS. Inhalte sind statisch, die Seiten einfach, wenig Anpassung für Nutzer. Nach einem Jahr wollen sie personalisierte Empfehlungen — basierend auf dem, was der Nutzer zuvor angesehen hat. Sie möchten auch Inhalte über eine mobile App ausspielen, Tests fahren und Nutzerpfade analysieren. Sie stecken in einem Dilemma: Ihr CMS stößt an Grenzen.

Also überlegen sie: Soll man ein DXP einsetzen? Sie migrieren in eine Plattform, die nicht nur Inhalte liefert, sondern Daten sammelt, Nutzersegmente bildet und Kanäle orchestriert. Nun sieht ein wiederkehrender Besucher auf der Website Werbung für Materialien, in der Mobile-App wird ein passender Artikel angeboten, und in einem Dashboard sieht das Marketingteam unmittelbar, wie Nutzer über Kanäle wandern.

Der Unterschied: Die Inhalte sind nicht mehr monolithisch und statisch, sie werden lebendig, kontextsensitiv und teil eines größeren Erlebnisses.

Conclusio

Ein CMS organisiert Inhalte – eine DXP organisiert Beziehungen. Der Übergang vom CMS zur DXP ist damit weniger ein technologischer Sprung als ein Paradigmenwechsel: vom Veröffentlichen zum Orchestrieren. Wo das CMS den Redakteur stärkt, stärkt die DXP das gesamte digitale Ökosystem – sie spannt Daten, Kanäle, Nutzer und Erlebnisse zu einem konsistenten Geflecht.

Diese Verschiebung hat auch Konsequenzen für Strategie und Architektur. Unternehmen, die ihre digitalen Berührungspunkte verstehen wollen, benötigen nicht zwingend eine DXP – wohl aber ein Bewusstsein dafür, wann ihr CMS an seine Grenzen stößt. Oft genügt eine modulare, API-getriebene CMS-Lösung, um in Richtung DXP zu wachsen, ohne sofort in Enterprise-Komplexität zu verfallen.

Die entscheidende Frage lautet also nicht: „Brauchen wir eine DXP?“ Sondern: „Wollen wir Inhalte steuern – oder Erfahrungen gestalten?“

Wer den Unterschied versteht, kann bewusst wählen, wie viel Struktur, Automatisierung und Kontext seine digitale Präsenz wirklich braucht.

Weiterführende Quellen

  • Contentful: DXP vs CMS: Choosing the right platform for your digital strategy
  • dotCMS: CMS vs DXP: Key Differences Explained
  • Adobe Experience Cloud: What is a Digital Experience Platform?
  • Gartner: Magic Quadrant for Digital Experience Platforms
  • Pimcore: CMS vs DXP: What’s the Difference?